Mira Lobes „Das kleine Ich bin ich“ ist ein großes Kunstwerk. Nicht nur der Inhalt ist genial – in seiner Einfachheit, in seiner Klarheit, mit seinem moralischen Anspruch – auch die Sprachkunst ist auf höchstem Niveau. Was Mira Lobe mit Rhythmus und Reim macht, wie sie Spannungen durch wechselnde Verslängen aufbaut, wie sie mit Wiederholungen arbeitet: Das alles ist von beeindruckender poetischer Kunstfertigkeit.
Ein Beispiel: Der mehrfach wiederholte Satz (quasi der „Refrain“ des Textes) changiert in seiner Bedeutung, je nachdem, wie er betont wird:
DENN ich bin, ich WEISS nicht wer,
SUCHe hin und SUCHe her,
SUCHe her und SUCHe hin,
MÖCHte wissen, WER ich bin
wird zu:
Denn ich BIN, ich weiss nicht, WER,
suche HIN und suche HER,
suche HER und suche HIN,
möchte WISSen, wer ich BIN.
Mira Lobe macht keine Kompromisse in der Sprache, um leichter verstanden zu werden. „Kindliches“ Getue ist ihr fremd. Sie scheut sich nicht einmal, vereinzelt Wörter zu verwenden, die im üblichen kindlichen Sprachgebrauch vermutlich nicht vorkommen: Gaul, Kahn, dressiert…